William Shakespeare

1564 – 1616           England

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In Übersetzungen von:

Willi Schantel

 

 

1.

Vom besten Stamm erhoffen wir uns Triebe,
damit die schönste Rose niemals sterbe,
damit wenn Tod sie aus der Welt vertriebe,
ein neuer Spross ihr Ebenmaß dann erbe.

Doch du willst nur vor deinem Blick dich beugen,
brennst deine Kerze an an beiden Enden,
all deine Fülle wird nur Leere zeugen,
du bist dir Feind, willst grausam dich beenden.

Noch bist du Glanz, in dem die Welt erglühte,
der einz`ge Herold für den neuen Morgen,
verschließt jedoch den Samen in der Blüte,
spielst Geizhals, statt den Reichtum zu verborgen.

Geh nicht als ein Verschwender aus der Welt,
der nimmt, damit es tot im Grab zerfällt.


2.

Wenn vierzig Winter deine Brauen kennen,
dein Ebenmaß mit Furchen tief durchpflügen,
wird Jugend, die wir jetzt noch strahlend nennen,
verblühtes Kraut sein, billiges Vergnügen.

Fragt man, wohin die Schönheit dir entschwunden,
die Kraft und Anmut aus den frischen Tagen,
sagst dann: in hohle Augen eingebunden,
hieß es nicht schändlich loben, dies zu sagen?

Das wäre Schönheit nach dem Sinn verschwenden,
könnt`st sagen du: dies` schöne Kind ist meines,
soll Zeugnis sein für mich, sind schwach die Lenden,
was schön an ihm ist, ist durch Erbe seines.

Das hieße Neues aus dem Alten gießen,
und wärmte dich, fühlt`st kalt dein Blut Du fließen.


3.

Sieh in den Spiegel, sag dem Abbild dort,
Zeit ist`s, dass dies` Gesicht ein neues schafft,
ein junges Blut erzeuge, jetzt, sofort,
wo nicht, die Welt betrügt um Mutterschaft.

Denn wo wär` eine Frau mit leerem Leib,
die sich verweigerte dir als Gemahl?
Wo der, der lieber wählt anstatt ein Weib,
sich selbst, sein Bild allein im Ahnensaal?

Du spiegelst deine Mutter, sie erkennt
in dir den Abglanz ihrer schönsten Zeit,
du ebenso, wenn jeder alt dich nennt,
wirst Glanz seh`n, ist dein Haupt auch längst verschneit

Doch lebst du ohne Spur zu hinterlassen,
stirbst kindlos, wird dein Bild mit dir verblassen.


4.

Polierter Marmor, warum gibst du nur
das Erbe deiner Schönheit aus für dich?
Geliehen, nicht geschenkt, hat die Natur
den Funken, dass er frei verbreite sich.

Warum dann, schöner Geizhals, schändest Du,
das Gold, das auszugeben sie dir gab?
Was wucherst du, fließt kein Gewinn dir zu,
mit solcher Summe, schmückst damit ein Grab?

Wenn nur dein Du mit dir verkehren kann,
betrügst dein wahres Selbst du selbst mit Dir,
doch wie, - wenn dir der Tod sagt „Jedermann“ -
wirst Rechenschaft du legen für dein Hier?

Die ungenutzte Fülle wird dann eingemauert,
mit dir, kein Kind das lebt, das um dich trauert


5.

Die Stunden, die mit zarter Hand gerahmt
den Anblick, an dem jedes Auge hängt,
sind einst die Last, durch die der Schritt erlahmt,
und hässlich wird, was allen Glanz jetzt fängt:

Den Sommer überführt der Gang der Zeit
in grausen Winter, dort behält sie ihn,
Staft stockt im Frost, kaum Laub mehr weit und breit,
Schnee deckt den Glanz, öd`zieht das Land sich hin.

Wär` Sommer`s Destillat nicht aufbewahrt
schwebend gefangen im Kristallflakon,
dann träfe der Verlust uns doppelt hart,
nicht mal Erinnrung bliebe uns davon.

So lebt ihr Geist, die Blume unter`m Eis
gab nur die Blätter, nicht sich selber preis.


6.

So lass auch du nicht Winters Knochenhand
deine Essenz dir rauben vor der Zeit,
kelter den Wein, pflanz ein die Frucht im Land,
damit es Frucht trägt, eh der Tod dich freit.

Das ist nicht Wucher, Beutelschneiderei,
froh zahlen alle Schulden seines Seins,
erschaffe du in einem Kind dich neu,
zehnmal beglückter, sind es zehn statt eins.

Zehnmal so glücklich wärst du dann als jetzt,
wenn zehn von dir verzehnfachten dein Lob,
der Tod blieb` machtlos. Stirbst du auch zuletzt,
lebst du im Bild, das deine Hand dir wob.

Bezähme Eigensinn, du bist zu groß,
um tot zu sterben, Fraß für Würmer bloß.


7.

Wenn gold`nes Licht im fernen Orient
erhebt sein Flammenhaupt, ehrt alle Welt
den neuerwachten Tag am Firmament,
der majestätisch alle Blicke hält.

Hat er erreicht die Zinne des Zenith,
gleicht er - im besten Alter - Jugend noch,
so dass es Sterbliche noch zu ihm zieht,
auf seiner Pilgerfahrt am Himmelsjoch.

Dann wenn am höchsten Punkt sein müder Schritt
- dem schwachen Alter gleich - zum Nadir führt,
begleitet ihn kein einz`ger Blick mehr mit
im Untergang, weil er nach Neuem spürt.

Du gleichst dem Tag in seiner Jugendpracht,
und stirbst – ohn` Erbe - so wie er in Nacht.


8.

Selbst Klang, hörst traurig tönen nur Musik?
Süß kämpft mit Süßem nicht, Gut bleibt sich Gut.
Wieso das lieben, was verhasst dem Blick,
freudig empfangen, was dir wehe tut?

Akkord gestimmter Saiten, die man hört
als klangvermählt , tönt blechern deinem Ohr?
Sie tadeln dich dann sanft, dich der nur stört,
weil er für sich spielt, nicht den Part im Chor.

Hör wie ein Ton, verbunden durch ein Band
den nächsten ruft zu einer Harmonie,
- wie Vater, Kind und Mutter Hand in Hand - 
vereint im Ton zu einer Melodie.

Kein Wort, ein Lied, nein viele, scheinbar eins
erzählt dir, einsam bist kein Licht du, keins.

9.

Ist`s Furcht, dass eine Witwe um dich weint,
dass du dir selbst genügst im Einzelnsein?
Wenn dich - ohn` Kind - der Tod mit sich vereint,
trauert die Welt, so wie ein Weib allein.

Die Welt wird Witwe, weinen wird sie dies:
dass du ihr nicht ein Kind von Dir erlaubt,
obwohl ein Blick in Kinderaugen ließ`
der Witwe ihren Mann nicht totgeglaubt.

Sieh, was man leicht in alle Welt verschenkt
bleibt, wird nur andernorts Genuß dann sein,
doch endet Schönheit gänzlich,  eh man`s  denkt,
der Nutzer der nichts nutzt, zerstört ihr Sein.

In dessen Brust für and`re schlägt kein Herz,
der mit sich selber treibt so schlechten Scherz.


10.

Lüg, dass es einen Liebsten für dich gibt,
der selber sich vernachlässigt sogar,
sag`s, wenn du magst, du seist doch vielgeliebt,
doch dass du niemand liebst ist wahrhaft wahr.

Von Hass bist du besessen, schwarz und groß,
du selbst bist`s, der für sich die Schlinge legt,
zerstören will sein eignes schönes Schloß,
anstatt nach Kräften halten gut gepflegt.

Lass ab, denn den Gedanken will ich nicht!
Soll Hass ein bess`rer Gast als Liebe sein?
Sei du so edel wie dein Angesicht,
sei es zum wenigsten zu dir allein.

Erneu`re dich, komm, tu es mir zulieb
dass Schönheit in dir und auch von dir blieb.


11.

So schnell wie du verfällst, so wirst du groß,
im Fleisch vom Fleisch, wenn du vergehst;
der junge Trieb, der wächst aus jungem Sproß,
ist dein, wenn du nicht mehr in Blüte stehst.

So bilden Zuwachs, Schönheit, Geist, ein Band,
sonst herrschen Torheit, Alter und Ruin:
Hält`s jeder so, stirbt Zeit im eig`nen Sand,
ist diese Welt in sechzig Jahr`n dahin.

Soll, was Natur von Dauer nicht gemacht,
verdorrt und formlos, kahl  ins Dunkel geh`n,
die Besten hat sie mit viel mehr bedacht
und ihr Geschenk sollst freudig du beseh`n.

Sie hat zu ihrem Siegel dich bestimmt,
gebrauch`s, eh Tod es –ungenutzt- dir nimmt.


12.

Und zähl` ich mit der Uhr den Schlag der Zeit,
seh` stolzen Tag getaucht in schwarze Nacht,
betracht` ich Veilchen ohne Blütenkleid,
wie Schneeweiß schwarze Locken silbern macht,

steh`n stattliche Bäume ohne ihr Laub,
das einst die Herden vor Hitze bewahrt,
liegt Sommers Grün in Garben als Raub
auf Bahren getragen, grau-silbern sein Bart,

dann ahn ich deine Schönheit schwindet hin,
auch Dich verschlingt der Schattensumpf der Zeit,
selbst gutes, schönes geht einmal dahin,
und stirbt so rasch, wie anderes gedeiht.

Der Sensenmann belächelt Wall und Turm,
doch lebt ein Kind, trotzt das Geschlecht dem Sturm

13.

Gehörtest, Liebster, du doch dir allen!
doch bleibt das nur, solang dein Körper lebt,
dem Tode trotzend, sollt` gefertigt sein,
zuvor ein Stoff, nach deinem Bild gewebt.

So würd` dein Adel, den du nur geerbt,
kein Ende finden, bliebest du besteh`n
als du, dann hätte dich nicht Tod beerbt,
da man in deinem Kind noch Dich kann seh`n.

Wer überlasst Ruin ein schönes Haus,
das Sorgsamkeit in Ehren aufrecht hält
gegen des Wintertages Sturmgebraus,`
des fahlen Todes ew`ge Kälte in der Welt?

Verschwender nur; Wie Du mein Lieber weißt
vom Vater, sorg, dass dich ein Kind so heißt.


14.

Aus Sternen nehm` ich meine Weisheit nicht.
Obwohl Astronomie in mir sich dreht,
hör ich nicht Glück, nicht Pech, das zu mir spricht,
nicht Pest, nicht Tod, wie uns das Jahr vergeht.

Ich kann kein Schicksal prophezeih`n
- für jeden Regen deuten, Sturm und Wind,
ob Prinzen ihre Liebste werden frei`n - 
aus Zeichen, die ich fest am Himmel find`.

Aus deinen Augen nehm` ich allen Geist,
ein Fixsternpaar, aus ihnen lese ich
dass Schönheit mit der Wahrheit lebt und reist
teilst du dich auf, gibst deinen Erben dich.

Ein ander Wort, kann ich auch künden dir:
Dein Tod nimmt Wahrheit, Schönheit mit von hier.


15.

Bedenke ich, dass alles was je blüht,
einen Moment nur kennt voll Perfektion,
dass diese Bühne hohlen Witz versprüht,
dem heimlich alle Sterne klatschen Hohn

seh` ich, dass Menschen wachsen wie ein Holz,
- unter dem Himmel, der es fällt und pflegt -
protzend mit Grün erst, dann verwelkt im Stolz,
als Schatten in Erinnerung sich legt,

ist` es dies` dünkelhafte Wechselspiel,
das meinem Blick besonders schön dich zeigt,
wenn Raffzahn Zeit mit dem Vermodern viel
Disput hält, wer in ekle Nacht dich neigt.

Und voller Lieb` zu dir bekrieg ich Zeit,
was sie dir nimmt, graviere ich erneut.


16.

He Mann, besorg dir richtig gute Keulen,
um dieser Sanduhr eine zu verpassen,
Komm wehr dich mal, lass dieses lasche Heulen
und wart` nicht auf die Oden trüber Tassen.

Geh aus und mach mal tüchtig einen drauf,
da sind doch tausend Tussen jeder Art,
die warten aufs Geschwängertwerden, lauf,
ein Kind wär geil, ein Bild ist bloß apart.

Das würde, was dir fehlt in deinem Leben,
- was Zeit nicht kann, noch meine Schmierereien -
tief innen Hara, außen Style Dir geben,
das wäre was und nicht bloß Träumereien.

Nun stirb den kleinen Tod, du wirst`s schon schaffen,
lebst dann als großer mit `nem kleinen Affen.


17.

Wer würde meinem Vers denn später glauben,
wenn er die Vorzüge von dir enthielte?
Doch gleicht er mehr dem Fuchs mit seinen Trauben,
er zeigt dich kaum, weil meine Feder schielte.

Könnt ich vom Strahlen deiner Augen schreiben,
mit neuen Zahlen deinen Wert bewerten,
dann sagte Nachwelt „lügen, übertreiben“, 
kein Mensch glänzt wie des Paradieses Gärten.

So würden dann meine vergilbten Seiten
verhöhnt wie Greise, die verlogen plappern,
und deine Schönheit hieße Reimereiten
auf ausgelutschter Metrik, altes Klappern.

Doch würde es ein Kind von dir dann geben
wärst du in Kind und Reim; zweifach am Leben.


18.

Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Du bist viel gemäßigter, lieblicher noch
Die rauen Winde können Maienblüten bleichen
Der Sommer währt nicht lang genug, jedoch:

Strahlt oft zu heiß die Sonne uns herab,
erlischt der Goldglanz oft am blauen Himmel, 
der Glanz verblasst im Glanz oft, sinkt ins Grab,
durch Zufall oder durch Zerfall und Schimmel.

Doch soll dein schöner Sommer strahlend bleiben,
kein Blatt vom goldenen Bewuchs verfallen,
der Tod darf kann „gehörst mir“ prahlend schreiben, 
du sollst in ew`gen Zeilen widerhallen.

Solange Menschen atmen, Augen sehen, 
lebt dies, wird Atem in dein Leben wehen.


19.

Du Zeit, magst stumpf die Löwenkrallen machen,
lass Mutter Erde fressen ihre liebste Brut,
reiß aus die Zähne aus des Tigers Rachen,
verbrenn den Phönix ganz in seinem Blut,

Lass fette, dürre Jahren mit dir gehen,
tu was du willst in deinem schnellen Lauf,
mit aller Welt, mit Schätzen, die vergehen,
doch einen Frevel nicht, nun merke auf:

Gravier` nicht seine Stirn mit schweren Stunden,
dort soll es keine Tintenflecken geben,
lass ihn geglättet ohne Alterswunden
als Ideal für spät`re Zeiten leben.

Zeig deine Krallen, frevlerische Zeit,
die Liebe hier im Vers gewinnt den Streit.

 

 

20

 

Natur gab dir das Ausseh`n einer Frau

als Yin und Yang für meine Leidenschaft,

ihr weiches Herz, doch nicht das Nebelgrau

des Wechselspiels, unstetig, flatterhaft.

 

Dein Blick ist heller, Schielen kennt er nicht,

worauf er fällt fühlt sich von dir erwärmt;

ein Wort, das man in allen Sprachen spricht,

das Mann und Frau verzaubert,, doch nicht lärmt.

 

Du warst dazu bestimmt ganz Frau zu sein

doch hat das die Verliebtheit der Natur

nicht zugelassen, so bist du nicht mein,

dir gab sie was dazu, mir nahm sie nur.

 

Du bist geschaffen, Frauen zu erfreu`n,

Lieb mich, das Liebesspiel soll ihres sein.

 

 

21

 

Ich fühle anders als die Künstlichkeit

die aus gemalten Quellen Wasser trinkt

den Himmel als Metapher sich ausleiht

und allen Glanz mit “ihrem Licht” verlinkt,

 

kunstvoll vergleichende Couplets verzapft

voll Sonne, Mond, dem Blau der See, der Welt,

durch Frühlingsblumen, alle Freuden stapft

die dieser Himmel unter sich enthält.

 

Lass mich so schreiben wie mein Fühlen spricht,

und glauben, meine Liebste sei so schön

wie jeder Mutter Kind, nur nicht so licht

wie Sternbilder, die dort am Himmel steh`n.

 

Wer Worte klingeln lassen will, der soll

Mein Ding ist`s nicht, macht`s auch die Kassen voll.

 

 

22

 

Dem Spiegel glaube ich mein Altsein nicht,

solange du mit Jugend gleichauf bist,

doch trägst du mählich Falten im Gesicht

seh` ich den Tod, der meine Tage misst.

 

Dein Zauber, aller Glanz der dich umfängt,

kommt nur aus meinem Herz, das deines ist,

so wie ich deins trag, tief in mir versenkt;

Kann ich da älter sein, als du es bist?

 

Gib daher, Liebste, so sehr auf dich acht,

wie ich - nur wegen dir - auf dieser Welt,

dein Herz in mir behüte ähnlich sacht,

wie eine Amme ihren Zögling hält.

 

Verlang nicht deins, will meines nicht mehr leben,

du gabst mir`s nicht um es zurückzugeben.

 

 

55.

 

Kein Marmor, keine kaiserliche Stele

wird diese vollen Verse überleben;

dein Glanz strahlt mehr als bruchgehau`ne Säle

in denen Abfälle der Jahre kleben.

 

Wenn Kriege jedes Standbild einst zerstören,

und Lava jede Steinmetzkunst verschlungen,

wird doch nicht Mars, nicht Feuer je verheeren

dein Bild, gewoben aus Erinnerungen.

 

Dem Tode trotzend und der Entropie

wirst du bestehen bleiben alle Zeit,

bis diese Welt, - wer weiß, wann, wie -

verschwimmt im Schleier tiefer Dunkelheit.

 

Bis du erstehst am Tage des Gerichts,

lebst du geliebt im Glanz gereimten Lichts.

 

 

59.

 

Und gäbs nie Neues, nur den Status Quo

der immer war, wie würden wir gequält

nach Neuem haschen und das alte Stroh

von gestern wär nur Müll in dieser Welt.

 

Ach, könnten doch die Flüsse alter Zeiten

ein paar Jahrhunderte nur quellwärts fließen,

um mir dein Bild zu zeigen in den Seiten

der ersten Form, vom ersten Wortegießen.

 

Ich hört` so gern die alte Kunst dann sinnen

nur über dich, das Wunder, das du bist,

würd jetzt, würd gestern dieses Spiel gewinnen?

Gäbs Gleichstand, wenn man das Ergebnis misst?

 

Ganz sicher hat der Witz vergangner Tage

schon schlechterem gewidmet reiche Sage.

 

 

60.

 

Wie Wellen am kiesigen Strand sich brechen

flieh`n uns die Minuten in Richtung Ende,

sie tauschen die Plätze in stetem Versprechen

und reichen zu gleicher Last sich die Hände.

 

Ist unser Werden erst einmal im Hellen

geht's Richtung Reife. Wenn wir die erwerben,

dann ficht sie ihren Strauß mit grauen Stellen,

was Zeit uns gab, das wird sie auch verderben.

 

Ihr Nagel kratzt am Lack der Jugendhülle,

zerfurcht die Stirn mit parallelen Falten,

ernährt sich wahrhaft von des Lebens Fülle:

noch jedes Haar wird ihre Klinge spalten.

 

Doch manchmal hoffe ich, dass meine Zeilen

für Dich, trotz jener grimmen Hand, verweilen.

 

 

66.

 

K.O. vom Hier käm mir das Handtuch recht

seh ich die Arbeit ausgekippt wie Dreck

..die Null hoch drei hofiert als wär`s Bert Brecht

..den wahren Glauben nur am linken Fleck

 

..das Ehrgefühl im Pfandleihhaus versetzt

..den Anstand futsch wies keine Nutte tut

..Perfektes säurekrittelnd weggeätzt

..die Kraft gelähmt durch lahmen Übermut

 

 

..die Kunst geknebelt durch Autorität

..die Dummheit Lehrer sein für das Talent

..die Wahrheit abgetan als Furz der bläht

..den Mensch der seinen Henker Massa nennt

 

Da wär` der Tod  im Ring mir grade recht

doch was mir lieb ist blieb allein--- sauschlecht.

 

 

 

71.

 

Du sollst, bin ich im Grab, nicht länger trauern,

als du die Totenglocke hörst, die kündet,

dass ich aus dieser Welt und ihren Mauern

ins Grab verschwand, wo der Zerfall mich findet.

 

Doch falls du liest, was meine Hand geschrieben,

dann denke nicht an sie zurück mit Sehnen,

ich liebe dich zu sehr, es soll vertrieben

das Wissen sein um mich, bringt es dir Tränen.

 

Und solltest du auf diese Verse sehen
wenn ich vielleicht schon Lehm geworden bin,
lass dein Gefühl mit mir im Grab vergehen
bring keine Opfer zu den Toten hin.

 

Die Welt soll nichts von deinem Kummer kennen,

sie würde lachen und dich Närrin nennen

 

 

75.

 

Du nährst den Geist wie Nahrung meinen Leib,

gleichst Maienregen, der auf Brache fällt,

und für den Frieden, den du bringst da reib`

ich mich an dir wie Geizige am Geld;

 

Ich weide mich an Dir, doch bleibt dabei

ein Ahnen, dass die Zeit den Schatz mir raubt,

erst zählt am meisten wir allein, wir zwei,

dann Feiern, dass die Welt mein Glück mir glaubt.

 

Manchmal erfüllst du mich mit einem Blick,

manchmal zerfrisst die Sehnsucht mir mein Ich,

verfolge ich, besitze ich kein Glück,

außer dem einen, das ich hab durch dich.

 

Ich schwebe auf den Wolken, treib im Sumpf

Tagtäglich brenne ich: oder bin stumpf.

 

 

130

 

Ihr Blick strahlt nicht voll Glanz, so wie das Sonnenlicht,
auch küsst das Meer Korallen mit mehr Purpurrot,
ihr Busen kennt das Weiß der Altaigipfel nicht
und Lilith`s Locken stehen ihr nicht zu Gebot.

Das tiefe Rot der Edelrosen von Shiraz,
erblüht in Gärten, nicht jedoch auf ihren Wangen,
Parfümduft ist in blauem Venezianerglas,
doch nicht im Atemhauch aus ihrem Mund gefangen.

Sie kann mit ihrer süßen Stimme wohl gefallen,
doch nicht wie Nachtigallenschlag, der Klang von Geigen,
geht sie spazieren, hört man ihre Schritte fallen,
vor Göttergrazie muss sich ihre Anmut neigen.

Und doch, bei Gott, ist sie mir teuer, wert und lieb,
mehr als es eitle Übertreibung je beschrieb.